Bereits durch die grossen Fenster sehen Passanten auf der Davidstrasse die silbergraue Schrift im Vorbeigehen. Hoch oben über ihren Köpfen prangt dort, wo bereits schon fünf Künstlerinnen und Künstler Arbeiten auf dem Fries realisiert haben, nun die Inschrift «I would prefer not to continue here». Der sich an das Design der Lobby anlehnende Satz wirkt verwirrend, denn es ist unklar, wer sich hier zu was äussert. Bezieht sich die Aussage etwa auf den Leser, um ihm mittels der Ich-Form eine unbewusste Handlungsanleitung für das Verhalten in der Lobby zu geben? Ohne weitere Angabe der Identität des Sprechers scheint der Satz lediglich ein Ornament zu sein, nur Schmuck, Inszenierung eines Wandabschlusses. Doch in der Satzstruktur steckt ein Bezug zu einer literarischen Vorlage des Schriftstellers Herman Melville (1819-1891). In seiner kurzen Abhandlung Bartleby, the Scrivener: A Story of Wall-Street (1853) lässt der Autor die Figur Bartleby auftreten, die in unterschiedlichen Erzählsituationen einen inneren Widerstand gegenüber einer ihr aufgetragenen Aufgabe mit dem Satz «I would prefer not to» kommentiert. Als Grundform lässt sich dieser Satzbeginn in jeder erdenklichen Situation problemlos äussern. Erst durch eine sprachliche Präzisierung, die auf Zeit, Ort und Handlung Bezug nimmt, erwächst aus ihr eine sinnvolle Aussage. Auf dem Fries lautet diese Präzisierung «continue here» und zeigt gleichzeitig Ende und Neubeginn eines bestimmten Sachverhalts an. Der Satz «I would prefer not to continue here» nimmt Bezug auf die Umbruchsituation, in der sich die Neue Kunst Halle im Übergang zwischen zwei Kuratorien befindet. Diese Veränderung bringt nicht nur einen personellen Wechsel mit sich, sondern auch räumlich eine neue Situation.
Der Fries wird zugunsten eines neuen Ausstellungsraums in der Lobby ersetzt. Die weissen Wände werden gegen unten verlängert und dienen bald als Ort für ein wechselndes Ausstellungsprogramm. Durch diese baulichen Anpassungen wird sich der Auftritt der Neuen Kunst Halle gegen aussen verändern, die Corporate Identity, die sich massgeblich durch die repräsentative Lobby mit dem Fries auszeichnet, weicht einem nüchternen Ausstellungsraum. Der durch die baulichen Veränderungen erzielte Bruch des repräsentativen Auftritts findet eine weitere Thematisierung im Internet. Dort werden die beiden Künstlerinnen Tamara de Wehr und Joëlle Allet die Website www.k9000.ch bearbeiten und dadurch die Coporate Identity der Neuen Kunst Halle durch kleine Eingriffe unterlaufen. Jeder Besucher kann sich auf einer Internetstation an der Theke selbst ein Bild machen und die von den Künstlerinnen angelegten Spuren selbst nachverfolgen.
Tamara de Wehr und Joëlle Allet gelingt es mit ihrer Arbeit, ein bis jetzt nur sprachlich festgehaltenes Konzept des Wechsels, das erst im Frühjahr räumlich umgesetzt wird, mittels eines Satzes zu visualisieren. Die Bedeutung des Frieses als Kommunikationsmittel sowie der Ort der Lobby als repräsentativer Raum wird durch die künstlerische Arbeit hervorgehoben und so die Umbruchsituation der Neuen Kunst Halle gleichzeitig ästhetisch und sprachlich formuliert. Tamara de Wehr lebt und arbeitet in Fully (VS), Schweiz. www.tamara-de-wehr.com Joëlle Allet lebt in Zürich und Leukerbad. Sie besucht zurzeit den Studiengang Bildende Kunst an der Hochschule für Gestaltung und Kunst in Zürich. Bis Mitte März 2007 absolviert sie ein Praktikum in der Neuen Kunst Halle St. Gallen.
Mit freundlicher Unterstützung der Kulturstiftung Winterthur