David Lamelas gilt als einer der Pioniere der Konzeptkunst. In den 1960er und 70er Jahren bekannt geworden, produzierte er in den letzten vierzig Jahren eine bestechende Werkgruppe von Filmen und Videos. Darin forderte er durchwegs unser konventionelles Verständnis, wie filmische Bedeutung produziert und Informationen übermittelt werden, heraus. In seinen ersten Filmen beispielsweise, experimentierte Lamelas mit der Konstruktionsweise der Narration. Ihn interessierte dabei insbesondere, wie Sinn gestiftet und kontrolliert wird. Er lehnte sich in seinen Fragestellungen an das Cinema Verité an, indem er die fortdauernde Dokumentation, die ohne Schnitte und Montage operiert, zum Anlass nahm, um eine unmittelbare Zeugenschaft der Kamera zu erzeugen.
1969 begann David Lamelas in Düsseldorf eine experimentelle Filmreihe mit dem Titel Time As Acitivity. An drei verschiedenen Orten in der Stadt filmte er mit einer fixen Kameraeinstellung das Geschehen. Dabei folgte die Kamera keinem einzelnen Ereignis, versuchte nicht eine bestimmte Handlung einzufangen, sondern konzentrierte sich darauf, den Fluss der Stadt aufzunehmen. Das Publikum sieht sich in dieser Arbeit mit einer filmischen Situation konfrontiert, in der es keiner klassischen Narration folgen muss oder kann, sondern dazu aufgefordert ist, eine eigene Konstruktion der Erzählung zu erschaffen. Das Werk sieht keine eindeutige Aussage vor, sondern deckt vielmehr indirekt die Bedingungen der Bedeutungsproduktion auf und lässt den Betrachtenden Raum für ihre eigenen Assoziationen und Überlegungen.
David Lamelas arbeitet nunmehr seit beinahe vier Jahrzehnten an diesem Projekt, das er neben Düsseldorf in Berlin, Los Angeles, Warschau und dieses Jahr in New York wiederholte. Die in 16mm produzierten Filme vermitteln aufgrund ihrer beinahe wissenschaftlichen Anordnung Stadtansichten, die zu Beobachtungen auf unterschiedlichen Ebenen führen. Neben der Architektur und dem Leben auf den Strassen, wird auch deutlich, wie die Zeit in den verschiedenen Städten verstreicht und von den Bewohnern gelebt und wahrgenommen wird. Für die Ausstellung in St. Gallen realisierte David Lamelas einen dreizehn minütigen Film, der an drei markanten Orten St. Gallens gedreht wurde. Darin verbindet der Künstler geschickt den kulturellen und historischen Kontext, indem er durch eine Schauspielerin Texte in deutscher, französischer und lateinischer Sprache vorlesen lässt.
Die Kunst Halle Sankt Gallen freut sich sehr, eine monothematische Ausstellung zur Filmreihe Time As Activity realisieren zu können. Das Interesse der Kunstwelt an David Lamelas, der heute in Los Angeles und Buenos Aires lebt, ist in den letzten Jahren ständig gestiegen. Als einer der noch lebenden Exponenten der 60er Künstlergeneration, der aufgrund seiner Herkunft eine Aussenperspektive auf den westeuropäischen und amerikanischen Kunstbetrieb einnimmt, wird Lamelas zunehmend von der Fachwelt wahrgenommen und zitiert. Time As Activity erlaubt es nun, einerseits die Kontinuität einer Werkgruppe zu verdeutlichen, anderseits anschaulich einen Bezug zu St. Gallen zu schaffen. Durch das Ausstellungskonzept wird das offene Werk von Lamelas nochmals hervorgehoben und der lokale Kontext in eine grössere Einheit eingebunden. Kuratiert von Giovanni Carmine.